10. Lebensjahr: 12. Woche

In dieser Woche machten wir uns auf den abenteuerlichen Weg nach Kiev in die Ukraine zur Euro Dog Show 2017. Ja, richtig, in die Ukraine. Ich kann es selbst kaum glauben, dass wir dieses Abenteuer gewagt haben. Nunmehr zuhause und rückblickend kann ich sagen, dass wir viele großartige Eindrücke mitgenommen haben, aber dass dies wohl auch ein einmaliger Ausflug bleiben wird.

Monatelanger, akribischer Planung mit der Beschaffung aller notwendiger Papiere für die Wiedereinreise unserer Hunde in die Europäische Union folgte eine mehr als 1700 km lange Fahrt nach Kiev, wie sie abenteuerlicher kaum hätte sein können. Dabei begann alles zunächst wie geplant. Die Fahrt durch Deutschland bis zur polnischen Grenze und auch die Fahrt durch Polen verlief komplikationslos. Die polnischen Autobahnen waren genauso gut oder sogar besser ausgebaut als die Deutschen und so legten wir die ersten gut 1100 km bis zum Grenzübergang zur Ukraine in 10 Stunden zurück.

Die Hunde verschliefen den Großteil der Fahrt und waren insgesamt wie immer entspannt.

Erst an der polnisch/ukrainischen Grenze wandelte sich das Bild. Die Wartezeit am Grenzübergang wurde länger und auch das gesamte Umfeld war deutlich anders. Man sah, dass man die Europäische Union verließ.

Die Ausstattung der sanitären Anlagen am Grenzübergang war nur ein kleiner Vorgeschmack dessen, was noch kommen sollte. Zum ersten Mal bekam ich auch ansatzweise einen Eindruck davon, wie man sich als Analphabet fühlen muss.

Nachdem wir über 1100 km zügig hinter uns gebracht hatten, sahen wir den verbleibenden 651 km bis Kiev relativ gelassen entgegen. Zwar sagte google, dass wir noch mehr als 12 Stunden unterwegs sein würden, aber das konnte doch eigentlich nur ein Irrtum sein. Das Tempolimit auf Autobahnen in der Ukraine war mit 140 km/h angegeben. Die Fahrt sollte also nicht so lange dauern. So war jedenfalls unsere Theorie.

Nun begann das eigentliche Abenteuer. Wir hatten im Vorfeld drei verschiedene Tankstellen empfohlen bekommen, an denen wir tanken sollten. Außerdem sollten wir dort ganz unkompliziert Karten für unsere Smartphones bekommen, da das Telefonieren in der Ukraine mit 3 Euro pro Minute in Rechnung gestellt wird. Man befindet sich halt in Ländergruppe 3, Kriegsgebiet im Endeffekt.

In der Praxis sah es so aus, dass das Kaufen der Karten für unsere Mobiltelefone am Ende über zweieinhalb Stunden dauerte. Hinter der Grenze sprachen die Menschen kein Englisch mehr und verstanden unser Anliegen scheinbar nicht. Die Automaten, auf die wir hofften, zeigten selbst nach der Sprachwahl „Englisch“ noch immer kyrillische Schriftzeichen an, waren also für uns nicht zu bedienen. So fuhren wir frustriert von zwei Tankstellen weg und machten uns auf die Suche nach einem englischsprechenden Menschen.

In einem kleinen Supermarkt wurden wir schließlich fündig. Die Mitarbeiter dort hatten scheinbar Mitleid mit den verzweifelten Deutschen, die ohne Google Maps niemals Kiev erreichen würden, denn unser Navi hatte uns schon zu Beginn der Reise mitgeteilt, dass die Route teilweise durch unbekanntes Gebiet führte. Sie schafften jemanden herbei, der Englisch sprach und dieser freundliche, junge Mann konnte uns schließlich zwei Karten für einmalige 2 Euro verkaufen und auch aktivieren. Denn der Erwerb der Karten ist das eine, eine Aktivierung ohne das Verstehen des Operators am Telefon wäre nochmal ziemlich aussichtslos gewesen. Wir gaben ein Trinkgeld, das der freundliche Mann gar nicht annehmen wollte. Aber wir waren so froh, dass wir schließlich diese Hürde gemeistert hatten, dass wir ihm so unseren Dank zeigen wollten.

Die Landschaft, durch die wir dann fuhren, war wunderschön, aber leider vollkommen übersäht von Müll. Wir bemerkten beim Toben der Hunde, dass dort viele Scherben herumlagen und brachen das Spiel daraufhin sofort ab. Da Sonnys Rückruf zwar gut funktioniert, aber weit entfernt von perfekt ist, hatten wir für ihn ein Geschirr und eine stabile Flexileine mitgenommen. Normalerweise verabscheue ich diese Dinger, aber für diesen Zweck war sie super. So konnte der junge Mann etwas Freiraum genießen, ohne dass wir Angst haben mussten, dass er uns in der Ukraine abhanden kommt.

Die Uhren ticken dort ein wenig anders. Während bei uns die (nicht wirklich schöne) Massentierhaltung Standard ist, führt man dort Kühe noch an der Leine aus. Auch die Kühe an den Straßen wurden von Hirten bewacht und waren nicht in einem eingezäunten Bereich untergebracht. Wie Hunde am Strick geführte Kühe sahen wir mehrfach. Nach einigen Kilometern dämmerte uns dann auch langsam, dass Google Maps mit seiner Aussage von weiteren 12 Stunden Fahrt wahrscheinlich doch Recht behalten würde. Denn nur, weil ein Tempolimit für eine Autobahn existiert, heißt das noch lange nicht, dass es auch eine Autobahn gibt. Jedenfalls keine Autobahn in unserem Sinne. Was wir zunächst für den Zubringer zur Autobahn hielten, entpuppte sich als Landstraße quer durch die Ukraine nach Kiev. Diese war zwar teilweise und insbesondere 100 km vor Kiev zweispurig ausgebaut. Aber der Großteil der Strecke war eine von Lastkraftverkehr geprägte, einspurige Landstraße.  Das Gefährliche auf dieser „Autobahn“ waren die Fußgängerüberwege (!!!) und auch Wendemöglichkeiten für Fahrzeuge. Das heißt, man musste immer damit rechnen, dass Personen und Fahrzeuge den eigenen Weg kreuzten. Besonders im Dunkeln war das wirklich kein angenehmes Fahren und sehr kraftzehrend. Wir hatten noch gelacht, als wir auf Websites gelesen hatten, dass man im Dunkeln immer mit Betrunkenen und unbeleuchteten Fuhrwerken auf der Straße rechnen müsse. Das Lachen verging uns aber bald, denn das war die Realität und überaus gefährlich. Die Straßenverhältnisse waren teilweise katastrophal, Schlaglöcher so tief, dass wir Sorge hatten, die Achsen unseres Busses würden darin hängen bleiben. Volker war überaus tapfer und brachte uns dennoch sicher und wohlbehalten nach Kiev.

Am „Hotel“ erwartete uns dann die nächste Überraschung. Ich hatte ursprünglich unser Hotel über die Website der EDS gebucht und eine Woche vor Abreise erfahren, dass meine Buchung seitens des Hotels storniert wurde. Das Hotel akzeptierte nur Hunde bis 25 kg und auch keine 3. Leider hatte ich das Gewicht der Hunde richtig angegeben und verließ mich auf die Mitarbeiterin der Hotelkette, die mir für uns eine „Suite“ in einem anderen Hotel unweit eines Parks anbot. Das klang doch erstmal gar nicht schlecht. Platz für uns und die Hunde und ein Park zum Spazierengehen direkt dran. Ich hatte dort also gebucht und was wir schließlich vorfanden, war das hier:

Eine heruntergekommene und niemals schön gewesene Hotelanlage. Immerhin, und das war das einzig positive, gab es einen rund um die Uhr bewachten Parkplatz und die „Suite“ war ausreichend groß. Der Eingang zu der Anlage war versteckt, die Lobby wurde sich mit anderen Anwohnern geteilt und an Frühstück oder auch nur Personal war nicht zu denken. Der angrenzende Park war bevölkert von freilebenden Hunden, die lauthals anschlugen, sobald wir auch nur in die Nähe kamen. Da wir nicht genau wussten, wie diese Hunde auf Eindringlinge reagieren, waren wir hier äußerst vorsichtig. Dazu kam, dass auch der „Park“ vollkommen übersäht von Müll und insbesondere Scherben war, was einen Spaziergang zum Spießrutenlauf machte. Auf dem Teppich des Hotels fehlte eigentlich nur noch die Markierung für eine entfernte Leiche, wie man sie aus Kriminalfilmen kennt. Den Hunden war es zum Glück egal und kaputtmachen konnten sie dort auch nichts.

Der Blick aus dem Hotelfenster war auf den „Park“ gerichtet.

Das Gelände der EDS war dann wieder von gewohnter Qualität, so dass wir uns zum ersten Mal entschieden, mögliche Spaziergänge lieber auf dem Veranstaltungsgelände zu absolvieren. Es wäre allerdings zu einfach, wenn der weitere Verlauf der Veranstaltung unkomplizierter gewesen wäre als der bisherige Teil der Reise. Wir hatten die Meldepapiere mitgebracht und versuchten zunächst, am Eingang die veterinärmedizinische Kontrolle hinter uns zu bringen. Das war ziemlich einfach, wie sich herausstellte. Man hatte verschiedene Menschen unterschiedlichen Alters, die kein Englisch sprachen, mit Stempeln ausgestattet. Und diese freundlichen Menschen stempelten unsere Papiere im Bereich „Vet Control“ ab, ohne sich unsere Hunde oder die Impfausweise auch nur einmal anzusehen. Nun, das war schon ein bisschen merkwürdig. Wir holten uns einen Katalog und machten uns auf den Weg zum Eingang und schließlich zu unserem Ring.

Am ersten Tag starteten wir bei der CACIB, der internationalen Ausstellung. Der Ring war nicht besonders großzügig bemessen, aber mit Teppich ausgestattet und so konnte man verhältnismäßig gut darauf laufen.

Das Ergebnis unserer Bemühungen war der 1. Platz für Ndoki Higlander „Sonny“ in der mit drei Rüden besetzten Jugendklasse mit Excellent und der Anwartschaft für den Ukrainischen Jugendchampion unter dem estonischen Richter Marko Lepasaar. Im Ehrenring gewann Sonny dann die Gruppe VI bei den Junioren und war schließlich unter den letzten 6 Junioren der CACIB Kiev! Ein grandioser Erfolg für unseren Youngster.

Vice European Junior Winner Ndoki Highlander

Unser Ch Ibamba of Sambesi Waters „BamBam“ startete mit seinen 9 Jahren in der Veteranenklasse. Zwar war er der einzige männliche Veteran, aber dafür musste er sich noch gegen die weibliche Konkurrenz beim Wettbewerb um den „Besten Veteran“ durchsetzen und den gewann er souverän!

Ch Ibamba of Sambesi Waters European Veteran Winner 2017

Nach unserer Platzierung machte ich mich auf den Weg, um die Papiere für die Wiedereinreise in die EU für unsere Hunde zu besorgen. Auf der Website der EDS stand zu lesen, dass jeder gemeldete Hund diese Papiere erhalten würde. Am Ende dauerte diese Prozedur sage und schreibe 3,5 (in Worten dreieinhalb!!!) Stunden und war ein vollkommenes Desaster. Wir hatten uns zu unserem großen Glück und dank Volkers akribischer Vorarbeit nicht auf die Aussage der EDS-Organisatoren verlassen, sondern hatten uns selbst durch europäische Richtlinien gewühlt und die Anforderungen für die Wiedereinreise abgearbeitet. Die Ukraine als nicht gelistetes Drittland gilt als tollwutgefährdet und daher wird zum Schutz vor der Einschleppung von Tierseuchen ein Tollwuttiternachweis für wiedereinreisende Hunde gefordert. Außerdem sind Gesundheitszeugnisse des Amtsveterinärs und weitere Dokumente notwendig. All diese Dokumente hatten wir verfügbar, obwohl sie nicht ausdrücklich auf der Website der EDS aufgeführt waren. Ich kann die Odyssee gar nicht komplett beschreiben. Normalerweise bin ich als Aussteller überaus geduldig, weil das gesamte Ringpersonal ehrenamtlich dort tätig ist und es mir mit seinem Einsatz ermöglicht, meinem Hobby zu frönen. Dies aber war das erste Mal, dass ich wirklich laut und deutlich wurde, als man mir nach mehrmaligem Bezahlen von irgendwelchen, nicht nachvollziehbaren Gebühren vor Ort noch immer nicht die gewünschten Papiere ausstellen wollte. Am Ende hatte ich schließlich eine eigene Übersetzerin, die auch des Englischen mächtig war und mit mir die jeweiligen Stationen durchlief, bis ich endlich unsere Papiere für die Wiedereinreise der Hunde in den Händen hielt. Ohne diese Papiere werden die Hunde an der Grenze schlimmstenfalls beschlagnahmt und kommen in Quarantäne!

Am Freitag starteten wir schließlich bei der Euro Dog Show.  Ndoki Highlander „Sonny“ erhielt vom österreichischen Allrounder Karl Reisinger hinter einem ukrainischen Jungrüden von 8 gemeldeten den 2. Platz mit der Formwertnote excellent und damit die Reserve-Anwartschaft für den Ukrainischen Jugendchampion und wurde damit Vize European Junior Winner! Unser Ibamba of Sambesi Waters „BamBam“ konnte sich erneut als Bester Veteran durchsetzen und wurde damit European Veteran Winner 2017!

Ch Ibamba of Sambesi Waters European Veteran Winner 2017

Ch Ibamba of Sambesi Waters European Veteran Winner 2017

Ch Ibamba of Sambesi Waters European Veteran Winner 2017

Wir sahen uns noch den Wettbewerb der Zuchtgruppen an. Eine tolle Auswahl an Hunden trat an, um zu gewinnen!

Der Ehrenring der EDS war beeindruckend und es war fantastisch, dass ich dort mit meinem Herzenshund BamBam auflaufen würde. Zwar konnten wir am Ende in diesem Wettbewerb den Richter nicht von uns begeistern, aber dennoch war es ein grandioses Erlebnis, BamBam dort zu präsentieren. Er zeigte sich wie immer von seiner besten Seite.

Ch Ibamba of Sambesi Waters European Veteran Winner 2017

Nachdem klar war, dass uns am Ende ein Punkt für den ukrainischen Jugendchampion fehlen würde, selbst wenn Sonny die dritte Show bei den Junioren gewinnen würde, entschieden wir uns für die vorzeitige Abreise aus unserer Luxusherberge. Bevor wir die Heimreise antraten, statteten wir aber noch den wichtigsten Sehenswürdigkeiten, die wir vor Einbruch der Dunkelheit erreichen konnten, einen Besuch ab und machten ein paar Fotos.

Ch Ibamba of Sambesi Waters European Veteran Winner 2017 MJCh Vize European Junior Winner Ndoki Highlander und CIB MCH Ndoki Fuming Hellboy

Ndoki Highlander vor der Mutter-Heimat-Statue in Kiev. Der junge Mann kommt wirklich herum.

Vice European Junior Winnder Ndoki Highlander

Der 22-stündige Rückweg führte uns über die gleichen, mit Schlaglöchern übersähten Straßen. Ich hoffe, dass ihr trotz der schlechten Qualität der Handyfotos einen kleinen Eindruck gewinnen könnt, der die Realität nur sehr begrenzt widerspiegelt. Die Busse, in denen dort Menschen transportiert werden, würden bei uns vermutlich nicht mal eine Straßenzulassung bekommen. Der überall herumliegende Müll, den man in den „Tourismusecken“ in Kiev nicht sieht, war wirklich eine Gefahr und störte das Bild nachhaltig. Insgesamt kann man sagen, dass man sich wie bei einer Zeitreise in die Vergangenheit fühlte.

Nach unserer kleinen Fotosession machten wir uns wieder auf den Heimweg. Das Bild unten zeigt die Straße in Kiev, die uns bis zur Grenze bringen würde.

Hier seht ihr ein Stück der ausgebauten Straße mit Linksabbieger auf der „Aut0bahn“.

Wir waren froh, als wir alle wohlbehalten wieder ankamen. Die Hunde waren nach den Ausstellungen müde und ließen es sich im Bus gutgehen. Kiev ware eine abenteuerliche Reise. Ein zweites Mal werden wir dorthin allerdings nicht fahren.